Auf Einladung des UB Oldenburg referierte und diskutierte der
Bremer Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling am 28.04.2015 in Oldenburg
über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA.
Der Wunsch nach
einem Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union
entstand nicht in den USA, sondern in Europa zur Zeit der vorherigen
EU-Kommission unter Baroso. Deren Maxime war ein möglichst liberaler
Welthandel.
Kanada z.B. (CETA-Abkommen) wollte den Investitionsschutz und Schiedsgerichte eigentlich gar nicht. Es war vielmehr die alte EU-Kommission, der der liberalisierte Markt das A und O des Fortschritts war! Druck kommt / kam hier vielmehr von osteuropäischen EU-Mitgliedern, die der Illusion nachhingen, der freie Markt bringe Wohlstand. Heute kommt der Druck auch von der EVP (Europäische Volkspartei / in Deutschland CDU). Auch die Geheimniskrämerei um diese Abkommen war Stil der alten EU-Kommission und wurde unter der neuen Kommission bereits zum Teil aufgebrochen.
Wichtig sei die Frage: marktkonforme Demokratie oder demokratiekonformer Markt.
Er betonte dabei, der in diesen Abkommen enthaltene umstrittene und viel diskutierte Investitionsschutz darf kein Schutz für Gewinnerwartungen sein. Private Schiedsgerichte sind ein undemokratisches Produkt und entsprechen nicht europäischen Rechtsnormen. Berufungsmöglichkeiten gegen Urteile müssen auf jeden Fall möglich sein. Verfahrenskosten sollen zu Lasten der klagenden Partei fallen.
Das größte Problem des Freihandelsabkommen sieht er nicht bei den Chlorhühnchen sondern in der Demokratiegefährdung
Die Verständigung darf auf keinem Fall auf dem niedrigsten Niveau erfolgen.
Die 8 Arbeitsnormen der ILO müssen gewährleistet sein da die USA bisher nur 2 (Verbot von Sklavenarbeit und Kinderarbeit) davon ratifiziert haben, Kanada z.B. wenigstens 6.
Die oft als Begründung des Freihandelsabkommens herangeführten unterschiedlichen (technischen) Standards sind nicht das eigentliche Problem, die Industrie (z.B. Autoindustrie) sei heute ohne weiteres in der Lage „just in Time“ unterschiedliche Anforderungen zu gewährleisten (z.B. Linksverkehr in einigen Ländern, Zoll- statt metrisches Maßsystem in den USA).
Öffentliche Ausgaben (TISA-Abkommen) müssen öffentlich bleiben und dürfen nicht privatisiert werden.
Es gibt keinen Zeitdruck, CETA geht gerade erst in den politischen Prozess. TTIP ist noch lange nicht soweit, der kleine Parteikonvent der SPD am 20. Juni wird hier noch gar keine Entscheidung fällen können. Diese ist frühestens beim Bundesparteitag im Dezember möglich. Da es keinen Zeitdruck gibt brauche sich auch niemand „jagen“ zu lassen.
In der anschließenden Diskussion wurden auf Fragen noch einige Punkte konkretisiert.
In Brüssel wird derzeit diskutiert ob es möglich ist den Investitionsschutz auszuklammern
Für die USA ist das transpazifische Abkommen wichtiger als ein transatlantisches
Bis jetzt ist kein Punkt bei TTIP ausverhandelt
Eine komplette Ablehnung durch Deutschland greift zu kurz da ein Abbruch der Verhandlungen nur einstimmig durch die 28 EU-Länder möglich ist!
TTIP soll eine Positivliste enthalten (was kann liberalisiert werden) und keine Negativliste (was kann nicht liberalisiert werden) da eine Negativliste zukünftige Entwicklungen nicht berücksichtigen kann.
Auf die Frage, ob TTIP wirklich unkündbar sei gab Carsten Sieling die Antwort, TTIP kann, wenn erst einmal beschlossen, nur durch alle 28 EU-Mitglieder gekündigt werden, nicht durch ein einzelnes!
Deutschland kann sich als Exportnation bei den Verhandlungen nicht mit der Zuschauerrolle begnügen.
Der geforderte internationale Gerichtshof statt eines Schiedsgerichtes ist ein „Kröte für die USA“ da die USA sich grundsätzlich nicht an internationale Regeln halten (der internationale Gerichtshof wird z.B. von den USA nicht anerkannt!) und das dort praktizierte angelsächsische Recht ein Fallrecht sei, wo von Fall zu Fall und nicht nach vordefinierten Rechtsnormen entschieden wird. Außerdem sei das amerikanische Recht von Bundesstaat zu Bundesstaat recht unterschiedlich. Durch die gewählten Richter entstünde eine weitere Unsicherheit.
Schiedsgerichte sind auf jeden Fall die Schere im Kopf der nationalen Parlamente (die jederzeit mögliche Klage als Damoklesschwert über den Parlamenten).
Definierte Standards sollte auf jeden Fall als Mindest- und nicht als Maximalstandards angesehen werden
TISA gefährdet die Daseinsvorsorge, öffentliches muß auch öffentlich geregelt werden. TISA geht also gar nicht. Aber gerade die öffentliche Beschaffung wird in den USA sehr kritisch gesehen, das „buy american“ der Republikaner eröffnet hier z.B. viel Verhandlungsspielraum
Wenn Deutschland privaten Schiedsgerichten zustimmt sieht Carsten Sieling schon jetzt den Gang zum Verfassungsgericht!
Gustav Förster
P.S. Die von Thilo Bode (Foodwatch) bei verschiedenen Gelegenheiten angerissene Möglichkeit, das die EU-Kommission ein ausverhandeltes TTIP-Abkommen auch ohne die nötige Zustimmung der 28 Parlamente „vorläufig“ in Kraft setzen könnte, wurde bei dieser Gelegenheit leider nicht angesprochen und erörtert.